Trend Trockenblumen: die dunkle Seite...
Ein Trend rollt wie ein Tsunami über die Blumenwelt.
Trockenblumen…
Zum einen bin ich natürlich hell auf begeistert! Ich sage nur #lovelydeadcrap! Du hast vielleicht schon meine Leidenschaft für knusprige Materialien bemerkt und ich würde sagen, es gibt nur einige wenige Werkstücke, in denen ich nicht irgendetwas Trockenes verarbeite.
Was mich aber vor allem dazu bringt, über diesen Trend zu schreiben, sind die Verdrehungen, die gerade entstehen.
Es heißt jetzt: Trockenblumen sind nachhaltig. Das stimmt natürlich - wenn ich sie nachhaltig trockne. Wenn aber massenweise Blumen aus unklarer Herkunft, getrocknet und in Folie gewickelt auf den Markt gebracht werden , fühlt sich das für mich direkt nicht mehr gut an.
Es fängt damit an, dass bei den meisten Trockenblumen nicht klar ist, wo sie her kommen. Da wir im Moment ja leider noch kaum frische Blumen aus nachhaltigem Anbau bekommen können, sieht das natürlich mit getrockneten nicht anders aus… sprich, es ist nicht per se nachhaltig fertig getrocknete Blumen zu kaufen. Dann sieht man immer häufiger gefärbte und - damit kommen wir zu meinem eigentlichen Thema - gebleichte Blumen.
Großer Renner im Moment, z. B. : bleached Rucus. (auch sehr spannend: google mal: Ruscus gebleicht)
Was braucht es, um so etwas wie Ruscus weiß zu machen?
Ruscus ist ein Schnittgrün, dass in der Regel aus Italien kommt. es hat eine sehr feste Blattsruktur, ist Dunkelgrün, wie Efeu und auch sonst in Farbe und Struktur dem Efeu ähnlich. Sehr stabil, sehr fest, kommt lange ohne Wasser aus und ist deshalb bei Floristen auch sehr beliebt.
Wenn man so einer satten, starken Pflanze jegliches Pigment entziehen will, was braucht es da?
Es gibt tatsächlich einen Artikel der Regierung von Westaustralien, die den Vorgang wie ein DIY ausführlich (samt Warnhinweisen) beschreibt.
Kurz gesagt braucht es im Idealfall mehrere Durchgänge des Bleichens, dadurch wird die Gefahr des Gelbstichs verringert, im Gegensatz zum einmaligen bleichen…
Hier eine Liste von Chemikalien, in der Reihenfolge, in der sie benötigt werden:
• Bleichmittel (Hypochlorite, Natriumchlorit, Peroxid, Hydrosulfate)
• Bleichzusätze (häufig EDTA - das Mittel, das wir wegen seiner zytotoxischen und genotoxischen Eigenschaften in Kosmetika und Körperpflegeprodukten meiden, außerdem ist es als Komplexbildner kaum abbaubar und gelangt über den Klärschlamm in die Gewässer)
jetzt noch in ein Bad mit:
• Schwefeldioxid (zur Verringerung des Geruchs von Bleichmittel - führt zur Reizung der Atemwege)
und zum Schluss, zur Stabilisierung:
• Glycerin oder Calciumchlorid zur Verhinderung von sprödem Laub (Witz: - Glycerin und Bleichmittel explodieren bei Kontakt, abgesehen davon ist Glycerin ein Erdölprodukt.) .
Hinzu kommt die wahnsinnig große Menge an Wasser, die vermutlich benötigt wird, und wie dieses Wasser entsorgt wird.
Die Frage ist also: Warum um alles in der Welt wollen wir dieses Zeug anfassen oder es an Kunden verkaufen? Und die zweite (und wichtigere) Frage lautet: Warum ist ein natürliches, sonnengebleichtes Produkt nicht gut genug? Warum sollten wir so etwas kaufen und dadurch unterstützen, wenn wir wissen, dass alle Chemikalien, die für dieses Aussehen verwendet werden, sowohl für die Gesundheit des Menschen als auch für die Umwelt schädlich sind?
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich weder Journalistin, noch Detektivin, noch Chemikerin bin. es gibt kaum Informationen zu diesem Thema, und schon gar keine auf deutsch. Ich freue mich also über Rückmeldungen und Erfahrungen, die weiterhelfen. Freundlicherweise durfte ich mich auf die Recherchen von Becky Feasby aus Calgary berufen. Sie hatte dazu neulich auf Ihrem Instaaccount Prairie Girl Flowers gepostet und mir erlaubt, diese Infos zu nutzen.
Außerdem findet man ausführliche Informationen in dem Blogpost von Linda, einer amerikanischen Flowerfarmerin und Designerin. Little Farmhouse Flowers. Sie hat gerade über gesprayte Blumen geschrieben - leider auch Katastrophe…
Wie geht es anders?
Im Frühling 2019 hatte ich ein Shooting mit Fanni Hérman an der Ippenburg. Fanni wollte ganz viel mit Trockenblumen arbeiten, und ich habe ja auch immer etwas trockenes im Atelier (Vorteil, wenn man nicht gut wegschmeißen kann…) außerdem hatte ich schon zuvor im Wald einen alten Buchenzweig gefunden. Er war wohl im Herbst zuvor geschnitten und liegen gelassen worden. Wetter und Sonne hatten die Blätter in ein ganz helles beige, teilweise fast weiß gebleicht. In diesem Moment dachte ich schon, das es diese ganzen gebleichten Produkte gar nicht braucht und das Wunder, wenn ich durch Trocknung und Sonne die Optik einer Blüte oder eines Blattes so verändere, noch viel größer ist. Und ja - auch ich habe so etwas, wie eine kindliche Faszination für veränderte Floralien, ob gefärbt oder gebleicht. Es ist wie ein experimentieren und es spricht natürlich auch meine kreative Ader an, aber hier ist eine Grenze überschritten worden. Hält sich dieser Trend, werden Unmengen von Chemikalien verwendet, Wasser kontaminiert und Müll produziert, denn was eigentlich auf den Kompost könnte, muss im Müll entsorgt werden (oder zum Sondermüll? Lesen das gerade irgendwelche Chemiker? Rat erwünscht!
Wenn ich mir also die Bilder von diesem Shooting ansehe, dann hoffe ich damit zeigen zu können, wie man, auch ohne gebleichte Materialien mit dem derzeitigen Trend spielen kann und leichte unwirkliche Arbeiten kreieren kann. Wenn Du neugierig bist, spring kurz rüber zu Fanni, sie hat die Fotos in einem wunderschönen Portfolio zusammen gefasst.
Du siehts es. Schlussendlich hat es wieder etwas mit Geduld und Arbeit zu tun. Los ziehen, etwas finden oder selber trocken. Ich weiß, dass es praktisch ist, mir ein Bund gebleichtes oder getrocknetes Material zu kaufen, wenn ich es benötige, aber ich sage auch immer wieder zu mir und meinen Kindern: wenn wir Verantwortung übernehmen wollen, für die, die nach uns kommen und sorgsam mit unseren Ressourcen umgehen wollen, dann wird es unbequem. Es ist oft die Bequemlichkeit die so zerstörerisch ist.
Das wäre also auch mein Rat: trockne selber, oder finde getrocknetes ( immer die Regeln für Sammelei in der Natur beachten: man darf nicht merken, dass Du da warst und nix mitnehmen, was unter Naturschutz steht) Außerdem verkaufen einige aus meiner Slowflower Bewegung getrocknete Blumen aus nachhaltigem Anbau:
Erna Primula zum Beispiel, Gabel und Spaten
und nächstes Jahr bestimmt auch Wildling
Schneide im Sommer und Herbst auf Pflückfeldern, in Schnittblumengärten oder im eigenen Garten. Es gibt so viel was sich zum trocknen eignet. Natürlich kannst Du sehr gut selber trocknen. Macht`s wie ich und stell die alten Sträuße oder Gestecke zu Seite (am besten irgendwo unter Glass in die Sonne, dann bleicht die für Dich.) so bekommst Du auch schöne krumme Formen, als wenn Du über Kopf trocknest. Aber dazu müsste man eigentlich eigenen Post schreiben…
Ich hoffe jetzt, Dir nicht zu sehr moralapostelig rüber gekommen zu sein und ich weiß, dass diese Dinge den meisten nicht bewußt sind - auch ich übersehe immer wieder mal kritische Themen, insbesondere in Bereichen, mit denen ich mich nicht täglich beschäftige… mir war es einfach wichtig, dieses Thema anzusprechen, hier aufzuklären, denn dies ist ein Bereich, mit dem ich mich täglich beschäftige und so fühle ich auch eine Verantwortung, dieses Wissen zu teilen. Ich möchte so so gerne, ein kleines bisschen die Welt retten…
Das war es für heute, vielen Dank für´s lesen, liebste Grüße,
Anne
P.s.: Schreib mir gerne, wenn Du dazu noch Fragen hast, oder auch noch etwas korrigieren oder ergänzen möchtest. Ich freue mich wie immer über einen Austausch!